Umwertung der Worte

Hunde gebären keine Kinder, Hunde werfen Welpen. Sie haben auch keinen Sex, sie decken und werden gedeckt. Sie essen nicht, sie fressen, sie sind läufig und haben Steh-Tage, sprich fruchtbare Tage. Den Leichnam eines Hundes nennt man Kadaver und nicht Leichnam. Bei jeder dieser Umschreibungen schmeckt man die leichte Bitterkeit der Abwertung. Diese Duplizität des Ausdrucks, die ein und dasselbe Etwas bei zwei verschiedenartigen Säugetieren bezeichnet, hat nur den Zweck, den Mensch deutlich über das Tier zu stellen.  Eigentlich war ich immer der Auffassung, dass der eigentlich einzig signifikante Unterschied zwischen Mensch und anderen Säugern der Verstand sei. Aber ja, mit dem Alter kommt die Weisheit, gebastelt aus Erfahrungswerten, die den Menschenverstand doch nur allzu häufig infrage stellen müssen. Die Anatomie, die biologischen Verhaltensmuster und auch der Wille zur Existenz sind nicht zu leugnende Gemeinsamkeiten oder zumindest frappierende Ähnlichkeiten. Und gerade der den angeblichen Unterschied ausmachende „Verstand“ sollte dem aufgeklärten Menschen von heute doch ermöglichen, die Identität dieser eingangs erwähnten Begrifflichkeiten nicht unter der Diversität der Worte zu verstecken und somit bewusst zu verleumden. In einer Gesellschaft, in der Volksvertreter ernsthaft der Ansicht sind, dass das Wort „Fußgängerzone“ zu maskulin eingefärbt sei, und eine unisexuelle Umbenennung fordern (Vorsicht, SchildbürgerINNENstreich!), kann ich als kritische Hündin jetzt auch fordern:  Ich esse mein Happihappi, ich gebäre Hunde-Kinder, ich schiebe ne Nummer und nach meinem Ableben bin ich eine leblose Hülle. Wenn ihr Menschen so viel höher steht als Tiere, warum bringt ihr euch dann gegenseitig um oder vernichtet den Planeten, auf dem wir eigentlich alle zusammenleben? Von Hunden hab ich das bisher nicht gehört. Nennt doch einfach mal das Kind beim Namen, auch das Tierkind. Vielleicht bringt euch das ja wieder näher zu eurem eigentlichen Wohl und Glück, nämlich dem verantwortungsvollen Umgang und das bewusste Dasein in der Natur. Abschließend möchte ich jetzt noch eine Antistrophe zum 75. venezianischen Epigramm Goethes zitieren:

Wundern darf es mich nicht, dass manche die Hunde verleumden, denn es beschämt zu oft leider den Menschen der Hund.

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